Keller’sche Gesellschaft
St. Wendel
Gasthaus Keller, heute Musikkneipe Spinnrad
In St. Wendel formierte sich nach 1830 eine liberale Opposition um einen politischen Stammtisch im Keller’schen Gasthaus. Die Keller’sche Gesellschaft organisierte zeitgleich mit Hambach ein Freiheitsfest, das zum Ausgangspunkt von „Unruhen“ werden sollte.
St. Wendel war 1797 durch die Verträge von Campo Formio und Lunéville ein integraler Bestandteil der Republik Frankreich geworden. An den Errungenschaften der Napoleonischen Ära wollte das Bürgertum auch nach dem Wiener Kongress gerne festhalten – und geriet damit in Konflikt mit Herzog Ernst III. von Sachsen-Coburg-Saalfeld (der ab 1826 als Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha regierte), dem das Gebiet um St. Wendel von Preußen abgetreten worden war. Ernst I. schien nicht sonderlich glücklich über seine neuen Gebiete. Nur ein einziges Mal hielt er sich 1822 in dem bald als Fürstentum Lichtenberg bezeichneten Territorium auf. Versuche, dieses gegen näher gelegene Gebiete einzutauschen, blieben erfolglos. In dieser Gemengelage formierte sich eine national-liberale Opposition rund um einen politischen Stammtisch, der sich im Keller’schen Gasthaus traf. Mehr und mehr stellte diese unter Beweis, dass sie in der Lage war, weite Teile der Bevölkerung zu mobilisieren. In der Nacht zum 6. Mai 1832 errichteten vermutlich Schüler des Lyzeums einen Freiheitsbaum in der Stadt. Am 27. Mai 1832 organisierten die Bürger zeitgleich mit dem Hambacher Fest ein Freiheitsfest auf dem nahe gelegenen Bosenberg, das zum Ausgangspunkt von „Unruhen“ werden sollte, die sich bis in den Juli 1832 streckten und zweimal von der Obrigkeit mit Hilfe Preußischer Truppen niedergeschlagen wurden. Im Januar 1833 wurden gegen Beteiligte der „Unruhen“ überwiegend moderate Urteile gesprochen; 1834 trat Ernst I. das Fürstentum Lichtenberg an Preußen ab.
Heute wird das Gebäude immer noch als Wirtshaus genutzt. Hier befindet sich die Musikkneipe Spinnrad, die sich selbst als „wahrscheinlich kultigste Kneipe in St. Wendel“ bezeichnet. Nach wie vor treffen sich vor allem Schülerinnen und Schüler hier, die gleiche „Zielgruppe“ also, die auch in den 1830er Jahren maßgeblich für die „Unruhen“ verantwortlich war.
Hambacher Schloss
Neustadt a.d. Weinstraße, OT Hambach