Jörg Braukmann, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Stadtschloss Fulda

Das Fuldaer Stadtschloss ist ein Zeugnis für die Außendarstellung und das Repräsentationsbedürfnis fürstlicher Herrschaft im Alten Reich, gleichzeitig aber ein lebendiger Ort der kommunalen Selbstverwaltung. In seiner Geschichte spiegelt sich die jahrhundertelange Entwicklung von der Aristokratie zur Demokratie wider.


Vom späten 13. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert war das Fuldaer Schloss ein Zentrum adeliger Herrschaft. Hervorgegangen aus einer mittelalterlichen Abtsburg entstand in der Barockzeit ein Ort der Repräsentation eines geistlichen Landesherrn an der Peripherie seiner Residenzstadt Fulda. Mit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlor die Schlossanlage nach und nach ihre Bedeutung, ein Symbol für den Niedergang der landesfürstlichen Macht.

Etwas zeitversetzt zu diesem Niedergang erlebte die Stadt Fulda, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine tiefe wirtschaftliche Depression durchlitten hatte, einen beispiellosen Aufschwung. Mit dem Anschluss an das Bahnnetz wurde Fulda zu einem Verkehrsknotenpunkt. Dies schuf die Voraussetzung für die Entwicklung zu einer prosperierenden Industriestadt und Garnison. Zwischen 1870 und 1914 stieg die Einwohnerzahl von 9.500 auf 23.500. Seit den 1880er Jahren wandelte die Stadt nicht nur radikal ihr äußeres Erscheinungsbild, sondern veränderte sich auch in der Zusammensetzung ihrer Bevölkerung. Insbesondere die nach Fulda strömende Gruppe selbstbewusster Bahnarbeiter, aber auch ein erstarkender, von christlichen und jüdischen Kaufleuten getragener Wirtschaftsliberalismus führten in der bisher vom katholischen Milieu geprägten Stadt zu einem verstärkten politischen Engagement.

In diese Phase eines erwachten städtischen Selbstbewusstseins fiel 1893 die Entscheidung der Stadtverwaltung für den Erwerb des Schlosses. Die bürgerliche Aneignung der Anlage sollte eine Nutzung als Rathaus erlauben, um dem gestiegenen Platzbedarf der städtischen Gremien und der zunehmenden Professionalisierung in der Verwaltung Rechnung zu tragen. Da zunächst nur ein kleiner Teil der Räumlichkeiten genutzt werden konnte und der Rest vermietet wurde, war der Kauf anfangs heftig umstritten. Langfristig war der Erwerb des Schlosses allerdings ein Glücksfall, von dem die Stadt Fulda bis heute profitiert. Bereits mit der 1897 erlassenen neuen Gemeindeordnung für die preußische Provinz-Hessen-Nassau, die für Fulda die Zahl der Stadtverordneten von 22 auf 36 erhöhte, offenbarte sich die Weitsicht der Verantwortlichen. Im Schloss standen Tagungsräume in ausreichender Größe für die erweiterte Versammlung zur Verfügung. Die öffentliche Wahrnehmung der nunmehr nicht mehr als Fürsten-, sondern als Stadtschloss bezeichneten Gesamtanlage als Ort demokratischer Willensbildung zeigte sich dann bei der Revolution von 1918/19. Im Schlosshof fanden die ersten großen Demonstrationen statt. Die Arbeiter- und Soldatenräte bezogen neben der regulären Verwaltung im Schloss ihre Büros. In Fulda waren Stadtverwaltung und Bevölkerung immer wieder bestrebt, Probleme pragmatisch anzugehen und konsensuale Lösungen zu suchen.

Umso einschneidender war die Zeit des Nationalsozialismus, in der sich die Stadt noch im März 1933 bei den Reichstags- und Kommunalwahlen der NSDAP widersetzte und dieser entgegen dem allgemeinen Trend nur ein Viertel der Stimmen gab. Erst im Sommer 1933 gelang es der NSDAP, die Fuldaer Stadtverordnetenversammlung zu dominieren.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war das Stadtschloss sowohl Sitz der Militärregierung als auch des Oberbürgermeisters und der seit 1946 wieder frei gewählten Gremien. Seit dieser Zeit steht der Ort für die Kontinuität der kommunalen Selbstverwaltung. Dies manifestiert sich zum einen in der Bildergalerie der Fuldaer Oberbürgermeister im linken Ehrenhofflügel sowie der Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung im zweiten Obergeschoss neben dem Fürstensaal. In den einstigen Zentralräumen adeliger Herrschaft tagen nun die städtischen Gremien. Der barocke große Festsaal bietet der Stadtverordnetenversammlung für ihre Sitzungen einen repräsentativen Rahmen. Inzwischen nutzt die Stadtverwaltung mit ihren derzeit etwa 1.700 Mitarbeitenden das Stadtschloss in seinem ganzen Umfang. Jährlich besuchen 40.000 Touristen die barocken und klassizistischen Schauräume. Da 1893 neben dem Schloss auch der anliegende Schlossgarten sowie die einstige Orangerie erworben wurden, erstreckte sich die bürgerliche Aneignung auch auf diese herausragenden Zeugnisse barocker Baukunst, die im 20. Jahrhundert der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden – von der Errichtung eines Veranstaltungsraums bei der Orangerie bis zu den bereits 1900 vorhandenen öffentlichen Tennisplätzen.

In Zusammenarbeit mit: Stadt Fulda, T. Heiler / H.-J. Klüber


zum Ort: Stadt Fulda

Adresse

Schloßstraße 1
36037 Fulda