Bundesarchiv, Bild 183-L40010 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE (Bildausschnitt)

Mehr zum Thema

Lothar Gall: Walther Rathenau. Portrait einer Epoche, München 2009.

Martin Sabrow: Die Macht der Mythen. Walther Rathenau im öffentlichen Gedächtnis. Sechs Essays, Berlin 1998.

Ernst Schulin: Walther Rathenau. Repräsentant, Kritiker und Opfer seiner Zeit, Göttingen/Zürich 1992.

Shulamit Volkov: Walther Rathenau. Ein jüdisches Leben in Deutschland, München 2012.

Hans Wilderotter (Hrsg.): Walther Rathenau 1867–1922. Die Extreme berühren sich. Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Zusammenarbeit mit dem Leo-Baeck-Institut, New York/Berlin 1993.

Rathenau

Walther Rathenau machte sich zunächst als Unternehmer und Publizist einen Namen und kam erst spät zu politischen Ämtern. Sein Engagement für die Demokratie blieb dabei ambivalent, seine Vorstellungen vor dem Ersten Weltkrieg ähnelten mehr einer Technokratie denn einer repräsentativen Demokratie, seine kulturkritischen Arbeiten zu einer sozialen Modernisierung des Kapitalismus brachten ihm zudem wenig Zuspruch. Dennoch gilt er durch sein Engagement als Außenminister als einer der führenden Köpfe der Weimarer Republik, seine Ermordung als Angriff auf die parlamentarische Demokratie.


Als Sohn des Firmengründers der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG), Emil Rathenau, wurde Walther Rathenau in die Welt der Industrialisierung und des jüdischen Großbürgertums geboren. Nachdem er selbst die Unternehmerlaufbahn eingeschlagen hatte, machte er schnell die Erfahrung, dass seine jüdische Herkunft mehr zählte als seine Unternehmerkarriere und Stellungnahmen zur Modernisierung des Kaiserreichs. Dabei forderte er in der politischen Presse immer mehr, dass neben den bestehenden preußischen Eliten auch neue Gruppen aus dem Bürgertum Recht auf politische Teilhabe hätten und an der Führung von Staat und Verwaltung beteiligt werden sollten. Er ließ dabei offen, ob damit eine Umwandlung des Kaiserreiches zur parlamentarischen Monarchie verbunden sein sollte. Eine gewisse Unentschlossenheit zeigte sich auch in Rathenaus Blick auf die kapitalistische Moderne: Während er selbst als Industrieller handelte und materiellen Wohlstand genoss, rieb er sich in seinen Schriften an den Auswüchsen der Industriegesellschaft und forderte immer wieder Reformen zur Überwindung der sozialen und politischen Gegensätze.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges stellte sich Rathenau aus Sorge um die deutsche Rohstoffversorgung als Experte der Reichsregierung zur Verfügung. Seine Vorschläge führten zur Einrichtung eines entsprechenden Planungsressorts, das Rathenau anfänglich selbst leitete. Während er so faktisch die deutsche Kriegsführung und -planung unterstützte, entwarf er später mit seinen Büchern Von kommenden Dingen (1917) und Die neue Wirtschaft (1918) erste umfassende Konzepte einer technokratischen Nachkriegsordnung, die mithilfe staatlicher Strukturen das Wohlergehen ebenso wie die Freiheiten und Interessen der Gemeinschaft stärken sollten. Damit entfremdete sich Rathenau zeitweise vom Liberalismus. Mit Ende des Kaiserreichs hoffte er, nun als Politiker und Sachverständiger Einfluss nehmen zu können. Als Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) verfehlte er zwar 1919 und 1920 den Einzug ins Parlament, zudem saß er mit seinen wirtschaftlichen Positionen zwischen allen Stühlen. Als sich jedoch in Folge der Kriegsniederlage die deutsche Situation drastisch verschlechterte, zog man ihn als Außenwirtschaftsberater heran; der linkskatholische Reichskanzler Joseph Wirth machte ihn dann 1921 zum Wiederaufbauminister und einige Monate später zum Außenminister. In dieser Funktion ist sein Name vor allem mit dem deutsch-sowjetischen Vertrag von Rapallo verbunden. Wichtiger war für Rathenau selbst das Ziel, sich mit den westlichen Siegermächten zu verständigen und so gemeinsam das vom Weltkrieg gezeichnete Europa wiederaufzubauen. Von Rechtsextremisten wurde dieser konstruktive Kurs, den später Gustav Stresemann fortführte, als „Erfüllungspolitik“ denunziert. Am 24. Juni 1922 starb Walther Rathenau als bisher einziger deutscher Minister bei einem von Rechtsradikalen verübten Attentat.

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