Die Fachschule eröffnete bürgerlichen Mädchen die berufliche Selbständigkeit und damit eine eigenständige Option der Lebensplanung. Das Haus entwickelte sich zu einem Zentrum der Frauenbewegung in Kassel.
1869 wurde in Kassel ein Frauenbildungsverein als Ortsverein des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) gegründet. Damit wurde eine Entwicklung in der Stadt eingeleitet, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein immer dichter werdendes Frauenbildungsnetzwerk nicht nur in Kassel, sondern im gesamten deutschen Reich hervorbrachte. Angestoßen und umgesetzt wurde von diesen Bildungsvereinen u.a. eine Bildungsexpansion, die langfristig sowohl die Reformen der Mädchenschulen als auch die Öffnung der Universitäten für Frauen ermöglichte. Der Casseler Frauenbildungsverein (CFBV) wuchs in den nächsten Jahren stark an und gründete in Kassel eine Reihe von weiblichen Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus entwickelte er sich im Laufe der Zeit zu einer Vernetzungsstelle für vielfältige Frauenaktivitäten in der Stadt.
Die Fachschule für confirmierte Mädchen des CFBV nahm am 1. Februar 1870 im ehemaligen Bährschen Hause in der Marktgasse ihre Arbeit auf. Im Laufe der Jahre entwickelte sich diese Schule immer weiter, bis sich schließlich sieben Abteilungen herauskristallisierten, die sich in vier thematische Richtungen zusammenfassen lassen: Hauswirtschaft und Handarbeiten, Erziehung (Fröbel-Pädagogik), gewerbliche und kaufmännische Ausbildung und schließlich die Lehrerinnenausbildung. Das besondere an diesen Schulen des CFBV war, dass hier ein dezidiert emanzipatorisches Ziel verfolgt wurde. Angestrebt wurde die berufliche Selbständigkeit junger Frauen, um den bürgerlichen Mädchen zusätzlich zur Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter eine weitere, selbstbestimmte Option der Lebensplanung zu bieten. Vor allem Marie Calm und Auguste Förster, beides Lehrerinnen und langjährige Leiterinnen sowohl des CFBV als auch der Schulen, setzten sich massiv für die schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung von Mädchen und jungen Frauen in Kassel ein.
1892 wurde in der Gießbergstraße ein eigenes Haus gebaut, welches bereits 1894 (zum 25jährigen Jubiläum des Vereins) fertiggestellt werden konnte. Mit 53 Räumen und drei Sälen wurde es Sitz und Tagungsort vieler weiterer Frauenvereine, etwa des Kaufmännischen Vereins für weibliche Angestellte, des Vereins Frauenbildung–Frauenstudium, aber auch eines Stenographinnenkränzchens und eines Damengesangvereins. Für etwa 25 Jahre war die Adresse Gießbergstraße 13 Dreh- und Angelpunkt des weiblichen Vereinslebens in Kassel.
Dieses Haus wurde 1943 zerstört – die in den Neubau integrierten Sandsteinplatten erinnern bis heute an den Schulstandort des CFBV in der Gießbergstraße. Nachfolgerin der Schulen des CFBV ist heute die Elisabeth Knipping Schule in der Mombachstraße 14.