Am 29. April 1972 gingen knapp 200 Männer und Frauen in Münster auf die Straße um sich für die Rechte von Schwulen und Lesben in der Bundesrepublik einzusetzen. Es war die erste derartige Demonstration, die heute als eine Art Startschuss für die LGBTQ-Bewegung gesehen wird.
Zum 1. September 1969 wurde der §175 StGB liberalisiert. Damit war zwar männliche Homosexualität unter Erwachsenen nicht mehr strafbar, die gesellschaftliche Ächtung und Diskriminierung aber noch lange nicht abgeschafft. Versuche, mehr öffentliche Sichtbarkeit für homosexuelle Menschen herzustellen, wurden häufig gerichtlich verboten, etwa in Aachen 1973, in Ingolstadt 1980 oder in Ulm 1981. Die Begründung war in der Regel, dass Homosexuelle zwar auch ein Recht auf Meinungsfreiheit hätten, dass der Staat aber auch das "Sittengesetz" schützen müsse und auf die Gefahren für die "öffentliche Sicherheit" zu achten habe. In Münster war es der "Homophilen Studentengruppe Münster" (HSM) dagegen gelungen, bei Stadt und Polizei eine Genehmigung für die Demonstration zu erhalten - obwohl die Stadt als konservativ galt. Mit der Demonstration, begleitenden Aktivitäten zur Vernetzung und Diskussionsveranstaltungen wollten die Organisatoren zum Abbau der gesellschaftlichen und beruflichen Diskriminierung beitragen.
Reaktionen auf die Demonstration waren durchaus gespalten. Während die "Homosexuelle Aktionsgruppe" aus Bochum (die älteste studentische Homosexuellengruppe Westdeutschlands) daran zweifelte, dass so gesellschaftliche Vorurteile abgebaut werden konnten, lud die "Homosexuelle Aktionsgruppe Saarbrücken" einen Monat später zu einer Info-Veranstaltung mit dem Titel "Sie glauben nicht an eine Schwulendemonstration in Deutschland?? Wir zeigen Ihnen eine!!!" in Saarbrücken ein. Vor allem die Vernetzung von Akteuren aus unterschiedlichen Städten war erfolgreich.
Am 29. April 2022 feierten eine Vielzahl von queeren Vereinen, Gruppen und Initiativen zusammen mit dem Amt für Gleichstellung der Stadt Münster das 50-jährige Jubiläum dieser Demonstration. Der Festakt wurde im historischen Rathaus der Stadt abgehalten. Als Gastredner trat der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, auf. In seiner Ansprache betonte er: "Es darf in unserem Land keinen Platz geben für Diskriminierung wegen sexueller Orientierung oder Identität" (Münstersche Zeitung, 29. April 2022). Eine bauliche Erinnerung an die Demonstration gibt es allerdings nicht.