Die Verabschiedung des „Eisenacher Programms“ im Jahr 1869 glich einem politischen Erdbeben. Progressive Strömungen innerhalb der Arbeiterbewegung bündelten ihre Kräfte und gründeten in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Ihr Ziel: Die Reformierung des deutschen Staatengeflechts im Kontext menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Am 7. August des Jahres 1869 folgten 262 Delegierte aus 193 Ortschaften des ehemaligen Deutschen Bundes dem Aufruf eines erst 29-jährigen August Bebel, um im beschaulichen Eisenach die Zukunft der deutschen Sozialdemokratie neuzugestalten. Die Angereisten vertraten dabei die Interessen von unzähligen Arbeitergruppen, die es nach jahrelangen Differenzen untereinander zu einen und zu führen galt. Unter den wachsamen Augen der beiden Initiatoren – neben Bebel auch der Revolutionär Wilhelm Liebknecht – tagte im renommierten Gasthof „Goldener Löwe“ schließlich der Eröffnungskongress der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). Neben der „Errichtung eines freien Volksstaates“ und dem „Kampf für die Befreiung der arbeitenden Klassen“, forderten die Delegierten im Rahmen des „Eisenacher Programms“ ferner auch das Wahlrecht für Männer ab dem 20. Lebensjahr, die Einführung eines „Normalarbeitstages“, die Unabhängigkeit des Gerichtswesens, sowie das Ende aller Standesvorrechte.
Am historischen Ort markiert die Gedenkstätte „Goldener Löwe“ eines der ältesten noch erhaltenen historischen Denkmälern der Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie, die selbst auch eine turbulente Geschichte hat. Das SED-Regime der ehemaligen DDR wollte das Erbe der Arbeiterbewegung mit der Installation einer Nationalen Gedenkstätte im Jahr 1967 für ihre Zwecke vereinnahmen. Im engen Korsett eines marxistisch-leninistischen Geschichts- und Weltbildes diente der „Goldene Löwe“ fortan überregional als maßgebliche Projektionsfläche zentralstaatlicher Agitations- und Propagandakampagnen. Die Erinnerung an die Tage des „Eisenacher Kongresses 1869“ wich sukzessive der Lehre und im weiteren Schritt der Festigung eines staatssozialistischen Pathos, welcher gezielt an den revolutionären Ursprung der deutschen Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert anschloss.
Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes durchlief der „Goldene Löwe“ einen gravierenden Wandel. Mit zwei Dauerausstellungen und vielfältigen Veranstaltungen trägt der „Goldene Löwe“ heute zur kulturellen und politischen Bildung in der Region bei. Wechselnde Sonderausstellungen geben Einblick in die ereignisreiche Geschichte der Demokratie in Deutschland und Europa und nehmen dabei Bezug auf aktuelle Spannungsfelder in Politik und Gesellschaft. Die Gedenkstätte und ihr Trägerverein wenden sich in ihrem Schaffen gezielt gegen antidemokratische und geschichtsrevisionistische Strömungen und werben in ihrer Öffentlichkeitsarbeit für eine bunte und vielfältige Gesellschaft, entgegen jeglichen sozialen, kulturellen und ökonomischen Schranken.
zum Ort: August-Bebel-Gesellschaft e.V.
August Bebel
22.02.1840 bis 13.08.1913