Am 1. Oktober 1989 um 6.14 Uhr rückt Hof in den „Mittelpunkt des medialen Weltgeschehens.“ In diesem Moment trifft der erste Zug mit 1.210 DDR Bürgerinnen und Bürgern in der oberfränkische Stadt ein, die zuvor in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag Zuflucht gesucht hatten.
Vor dem 40. Jahrestag der Gründung der DDR geriet die SED-Regierung im Sommer 1989 vermehrt unter Druck. Einer zunehmenden Zahl frustrierter DDR-Bürger/-innen gelang es, sich über Drittstaaten in die Bundesrepublik abzusetzen. Ungarn hatte bereits im Mai 1989 begonnen, seine Grenzanlage zu Österreich abzubauen. Im September öffnete das Land die Grenze zum Westen vollständig. Ein anderes Hauptziel der Ausreisewilligen war die Botschaft der Bundesrepublik in Prag. Am 30. September 1989 verkündete Bundesaußenminister Genscher 6.000 Flüchtlingen in der Prager Botschaft, dass ihre Ausreise nach Westdeutschland bewilligt wurde.
Sechs überfüllte Personenzüge verließen noch in der Nacht des 30. September Prag. Die Ausreisegenehmigung verknüpfte die SED-Führung jedoch mit der Bedingung, dass deren Zugfahrt demonstrativ noch einmal über das Territorium der DDR führen müsse. So fuhren Ende September, Anfang Oktober 1989 alle Prager Botschaftszüge über Dresden und Plauen, bevor sie in Hof den freien Westen erreichten.
Womit die SED-Regierung nicht gerechnet hatte: die Durchfahrt der Botschaftszüge verstärkte den Unmut vor Ort. In Plauen wurde am 2. Oktober ein Flugblatt verteilt, in dem Versammlungs- und Demonstrationsrecht, Streikrecht, Meinungs- und Pressefreiheit, Zulassung von Oppositionsgruppen sowie freie Wahlen und Reisefreiheit gefordert wurden. Die Verfasser riefen außerdem zu einer Demonstration am Jahrestag der DDR-Gründung auf. An dem Tag versammelten sich über 15.000 Menschen auf dem Theaterplatz.
In Hof erreichten in den Folgetagen über 8.000 Bürger der DDR die Bundesrepublik auf diesem Weg. Die Ankommenden wurden von den Bürgern der Stadt Hof mit beispielhafter Gastfreundschaft empfangen. Sie richteten Notlager in den Schulen und Turnhallen ein und boten Privatquartiere an, um die Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge zu gewährleisten. Die beiderseitige Euphorie des Ereignisses und die Freude über die Bezwingung einer unsinnigen Grenze bezeichnen Zeitzeugen bis heute als einzigartig.
Deutsche Botschaft Prag
Friedliche Revolution in Plauen