Raimond Spekking, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0.

Deutsche Botschaft Prag

Tausende Bürgerinnen und Bürger der DDR waren seit August 1989 auf das Gelände der westdeutschen Botschaft in Prag geflüchtet. Am 30. September verkündete Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der Botschaft, dass diese in die BRD ausreisen durften - ein Meilenstein auf dem Weg zum Mauerfall.


"Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise..." Weiter kam er nicht, der Rest des Satzes ging im Jubelsturm unter.

Bereits seit Mitte der 1980er Jahre hatten sich immer mehr DDR-Bürgerinnen und -Bürger in bundesdeutsche Botschaften in den Ländern des Ostblocks geflüchtet, um ihre Ausreise in den Westen durchzusetzen. Der Großteil kehrte in die DDR zurück, nachdem die Behörden ihnen Straffreiheit und die Genehmigung ihrer Ausreiseanträge zugesichert hatten. Im Sommer 1989 nahm die Zahl der Flüchtlinge in der Prager Botschaft rapide zu. Am 19. August lebten bereits mehr als 120 Flüchtlinge dort, täglich kamen 20-50 weitere dazu. Am 23. August schloss Botschafter Hermann Huber auf Weisung des Außenamtes das Barockpalais für den Publikumsverkehr, doch der Ansturm auf das Botschaftsgelände ging weiter. Im September hielten sich bis zu 4000 Menschen auf dem Gelände auf. Die Botschaft errichtete Zelte und organisierte einen Schulbetrieb für die Kinder.

Bundesaußenminister Genscher gelang es schließlich, in Verhandlungen mit den Außenministern der Sowjetunion, der DDR und der ČSSR die Ausreisegenehmigung für die Flüchtlinge zu erhalten. Die DDR-Führung hatte darauf bestanden, dass die Ausreise über das Gebiet der DDR verlaufen sollte. Bereits am Abend des 30. September startete der erste von drei Zügen über Dresden, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) und Plauen nach Hof. Was von den Flüchtlingen zunächst mit Angst aufgenommen worden war - befürchtet wurden Verhaftungen durch DDR-Organe wegen Republikflucht - erwies sich als Katalysator für Massenproteste entlang der Strecke. Auf diese Weise verstärkten die Massenausreise den Protest gegen die DDR-Führung und trug maßgeblich mit zum Ende der SED-Diktatur bei.