Wilhelm Kaisen (1887-1979) hatte die Siedlerstelle 1933 am Stadtrand von Bremen erworben, nachdem er wegen der Machtübernahme der Nationalsozialisten von seinem Amt als Senator zurückgetreten war. In Eigenarbeit baute er ein bescheidenes Siedlungshaus, bestellte seinen Acker, versorgte sein Vieh – und behielt diese Lebensweise auch nach 1945 als Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen bei.
Wilhelm Kaisen zählt zu den großen Bremer Persönlichkeiten im 20. Jahrhundert. In Hamburg-Eppendorf, in sozialdemokratischem Arbeitermilieu geboren, verbrachte er Kindheit und Jugend in der Landgemeinde Alsterdorf und trat 1905 der SPD bei. Nach einer Ausbildung zum Stuckateur-Facharbeiter und seiner Militärdienstzeit wandte er sich der Arbeiterbewegung und -bildung zu. 1913/14 besuchte er die SPD-Parteischule in Berlin. Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau, Helene Schweida (1889-1973) aus Bremen, kennen. Den Ersten Weltkrieg verbrachte Kaisen als Artillerist in Flandern und Nordfrankreich. Sein politischer Aufstieg begann 1919, als der junge Familienvater eine Stelle als Redakteur des Bremer Volksblatts antrat. 1920 wurde Kaisen für die SPD in die Bremische Bürgerschaft gewählt. Seit 1928 gehörte er dem Senat als Wohlfahrtssenator an. Nach seinem durch die Nationalsozialisten erzwungenen Rücktritt und kurzer Haft bezog Wilhelm Kaisen 1933 mit seiner Familie eine Siedlerstelle in Bremen-Borgfeld. Hier überlebte er die Zeit des Nationalsozialismus, indem er sich als Landwirt betätigte. Von dort holten ihn die amerikanischen Besatzungsbehörden 1945 in den ersten Nachkriegssenat. 1949 zählte Kaisen zu den Unterzeichnern des Grundgesetzes. Seine erfolgreiche Tätigkeit an der Spitze der Bremer Landesregierung endete 1965 mit dem altersbedingten Rücktritt von allen politischen Ämtern.
Wilhelm Kaisen wurde in den Medien häufig mit dem römischen Konsul Cincinnatus verglichen, der vom Acker zum Senat berufen worden war. Dazu trug einerseits seine auf Ausgleich und Kooperation mit bürgerlichen Parteien ausgerichtete staatsmännische Grundhaltung bei. Vor allem aber ist es das Bild des bodenständigen Politikers, der aus Pflichtbewusstsein sein einfaches Landleben unterbricht, um sich dem Gemeinwesen und dem Wiederaufbau des Landes zur Verfügung zu stellen.
Die Siedlerstelle nimmt eine besondere Bedeutung in der Erinnerung an das Wirken von Wilhelm und Helene Kaisen ein. Überregional bekannt wurde das Anwesen, als 1952 Bundespräsident Theodor Heuss auf seinem Staatsbesuch in Bremen einen Abstecher nach Borgfeld machte, um Bürgermeister Wilhelm Kaisen einen Besuch im Kuhstall abzustatten. Seit 1995 unterhält die Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung die historischen Gebäude und öffnet sie für die Allgemeinheit. In der Scheune ist eine Dokumentationsstätte eingerichtet. Das Wohnhaus und die Privaträume der Familie Kaisen zeugen vom einfachen und entbehrungsreichen Leben ihrer Zeit.
zum Ort: Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung
Elly Heuss-Knapp und Theodor Heuss
25.01.1881 // 31.01.1884 bis 19.07.1952 // 12.12.1963