Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte

Fritz Eberts Restauration und Bierhalle

Bremen

Von April 1894 bis zum Frühjahr 1900 betrieb Friedrich Ebert in der Brautstraße / Ecke Westerstraße eine Gastwirtschaft. Seine Gaststätte war Versammlungslokal und zugleich Informations- und Beratungszentrum. Solche Orte waren für die Arbeiterbewegung von großer Bedeutung.


Friedrich Ebert erwirbt sich in seiner Zeit in Bremen (1891-1905) das politische Rüstzeug eines Parteiarbeiters: Als Agitator lernt er zu reden und zu werben. Als Redakteur der sozialdemokratischen „Bremer Bürger-Zeitung“ schreibt er politische Artikel. Als Inhaber zahlreicher Führungspositionen in Partei und Gewerkschaft entwickelt er organisatorische Fähigkeiten. In den fünf Jahren als Mitglied der Bremischen Bürgerschaft sammelt er darüber hinaus wichtige Erfahrungen in der parlamentarischen Arbeit und gewinnt Einblicke in den Mechanismus der Gesetzgebung und der praktischen Regierungsarbeit. Gleichzeitig erfährt er, dass das bestehende politische System unfähig ist, sich zu reformieren. Als Gastwirt von 1894 bis 1900 erfuhr er in vielen Gesprächen mit Arbeiterinnen und Arbeitern von deren Sorgen und Nöten.

Es war nichts Außergewöhnliches, dass führende Funktionäre der Arbeiterbewegung zeitweise ihren Lebensunterhalt als Gastwirte verdienten. Gasthäuser spielten für die Arbeiterbewegung um die Jahrhundertwende eine besondere Rolle und besaßen eine hohe Anziehungskraft als Ort des geselligen Beisammenseins und der politischen Agitation. Das Wirtshaus war Teil der proletarischen Gegenkultur und sein Besuch Ausdruck des Zusammengehörigkeitsgefühls. Da bürgerliche Wirte befürchteten, dass die Abhaltung sozialistischer Versammlungen negative Folgen wie etwas einen Boykott nach sich ziehen konnte, war es für die im Kaiserreich ausgegrenzte Arbeiterbewegung von unschätzbarem Wert, wenn ein zuverlässiger Genosse eine Gastwirtschaft übernahm und dort die für ihre Agitation unerlässlichen Versammlungen abgehalten werden konnten. Und so wurde auch Eberts Restauration und Bierhalle zum politischen Versammlungsort der Bremer Arbeiterbewegung. Seine Gastwirtschaft entwickelte sich zur Anlaufstelle für ratsuchende Arbeiter. Der Wirt gab, so offerierte er in der „Bremer Bürger-Zeitung“, unentgeltlich Auskunft in Gewerbestreitigkeiten. Im Zuge einer grundlegenden Renovierung wurde den Saal im oberen Geschoss auf ein Fassungsvermögen von 100 Personen ausgebaut.

In späteren offiziellen Lebensläufen vermied Friedrich Ebert es, die sechs Jahre als Wirt zu erwähnen, weil seine Tätigkeit als Wirt immer wieder zum Anlass für Verleumdungen und Beleidigungen genommen wurde. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Heute erinnert vor Ort nichts mehr an den Versammlungsort der Bremer Arbeiterschaft und seinen prominenten Pächter.

In Zusammenarbeit mit: Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, W. Mühlhausen.

Adresse

Brautstraße 13
28199 Bremen

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Friedrich Ebert. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Begleitband zur ständigen Ausstellung in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, herausgeg. von Walter Mühlhausen, Heidelberg 1999.