Gewerbehaus
Im März 1848 verabschiedete eine Bürgerversammlung im heutigen Gewerbehaus eine Petition an den Bremer Senat. Mit ihren Forderungen nach allgemeinen und gleichen Wahlen und der Einrichtung einer verfassunggebenden Versammlung konnten sie sich durchsetzen und leiteten so eine friedliche Umwälzung der Machtverhältnisse in der Hansestadt ein.
Bremen wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer kleinen Schicht wohlhabender Bürger regiert. Senat und Bürgerkonvent - eine Honoratiorenversammlung aus Großkaufleuten, Kirchenvertretern, höheren Offizieren, Akademikern und anderen Bürgern mit erheblichem Vermögen - rekrutierten sich in komplizierten Wahlverfahren gegenseitig. Nach ihrem patriarchalischen Selbstverständnis konnten sie selbst am besten für das Wohl aller Bürger sorgen. Über lange Jahre hatten sich auch Mittel- und Unterschicht an dieses Arrangement gewöhnt. Jedoch wuchs auch hier im Laufe des Vormärz die Unzufriedenheit mit der Machtverteilung und den Rechtsverhältnissen in der Stadt. Im März 1848 forderten weite Bevölkerungskreise eine neue Verfassung. Der Bremer Bürgerverein, gegründet im Januar 1848, machte sich in dieser Situation zum Sprecher und Vorkämpfer der Forderungen.
Im Bürgerverein organisierten sich Handwerksmeister und Volksschullehrer, kleine Gewerbetreibende und Handwerker, aus deren Sicht der Senat die Interessen des Mittelstandes nicht genügend berücksichtigte. Ziel war eine grundlegende Änderung der altüberkommenen Ordnung, die politische Emanzipation und die Regierungsbeteiligung seiner mittelständischen Anhängerschaft auf friedlichem und legalem Weg. In diesem Sinn ähnelte der Bürgerverein bereits einer modernen politischen Partei, die sich als Anwalt und Vertreter der Interessen ihrer Basis versteht. Am 7. März 1848 lud der Vereinsvorstand zu einer Mitgliederversammlung im Krameramtshaus am Ansgarikirchhof ein. Es kamen jedoch auch viele andere Bremer Bürger, die Mitgliederversammlung wurde zur Volksversammlung, die eine Petition an den Senat verabschiedete. Darin kritisierten sie die undemokratische Bestellung und die intransparente Arbeit des Senats und forderten allgemeine und gleiche Wahlen, eine öffentlich tagende verfassunggebende Versammlung und uneingeschränkte Pressefreiheit. Am Folgetag wurde die Petition zur Unterschrift ausgelegt, von mehr als 2000 Bürgern unterschrieben und schließlich dem Senat übergeben. Unter dem Druck der Menge akzeptierte der Senat die Forderungen und versprach eine rasche Umsetzung. Das Kalkül des Bürgervereins war aufgegangen: Die friedliche Umwälzung der Machtverhältnisse konnte unter Mitwirkung von Senat und Konvent beginnen. Freilich waren die Erfolge nicht von Dauer. Bereits 1852 wurde etwa das allgemeine und gleiche Männerwahlrecht durch ein restriktives Acht-Klassenwahlrecht ersetzt, das den bestimmenden Einfluss der gehobenen Gesellschaftsschichten auf den politischen Prozess restaurierte.
Das Gebäude wurde von 1619 bis 1621 im Auftrag der Wandschneider (Tuchhändler) im Stil der Weserrenaissance erbaut. 1685 erwarben es die Zunft der Kramer und nutzten es auch als Veranstaltungshaus. Ein Ergebnis der Revolution von 1848 war die Einführung der Gewerbefreiheit und die Gründung der Bremer Gewerbekammer, die das Krameramtshaus 1861 erwarb. Das Gewerbehaus, wie es seitdem heißt, wurde 1944 fast vollständig zerstört. Der Wiederaufbau begann 1948. Das Gebäude besteht nur noch zu geringen Teilen aus originaler Bausubstanz. Es verkörpert aber wie kaum ein anderes Anspruch, Stil und Dekorformen des bremischen Bauens. Seit 1959 gehört es der Handwerkskammer Bremen und dient dieser als Hauptsitz.
zum Ort: Handwerkskammer Bremen