Jagdschloss Niederwald
In drei Sitzungsperioden tagten 1948 die elf westdeutschen Ministerpräsidenten und weitere politische Akteure im Grünen Salon des Jagdschlosses Niederwald. Sie verhandelten die von den Westmächten geforderte Gründung eines Weststaates. Dabei wurden Grundstrukturen für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erarbeitet.
Im März 1948 beschlossen die alliierten Westmächte sowie die Benelux-Staaten auf der Londoner Sechsmächtekonferenz, die Gründung eines westdeutschen Staates voranzutreiben. Mit den Frankfurter Dokumenten beauftragten die Militärgouverneure der amerikanischen, britischen und französischen Zone die Ministerpräsidenten der westlichen Länder, eine Verfassung zu erarbeiten. Diese berieten sich auf der Rittersturz-Konferenz in Koblenz vom 8. bis 10. Juli 1948. Das Ergebnis war zurückhaltend: Es sollte alles vermieden werden, was die Spaltung Deutschlands vertiefen würde. So sprach sich die Runde dafür aus, keine Verfassung, sondern lediglich ein Organisationsstatut ausarbeiten zu lassen. Dieser Vorschlag wurde wiederum von den West-Alliierten abgelehnt. Neue Beratungen wurden notwendig und so kam es zu insgesamt drei Tagungen zwischen dem 15. Juli und dem 31. August im Jagdschloss Niederwald bei Rüdesheim. Dort diskutierten die elf westdeutschen Ministerpräsidenten kontrovers über die geforderte Weststaatenlösung der Alliierten. Sie befürchteten, dass die Gründung einer Republik im Westen die Teilung Deutschlands zementieren würde, erklärten sich aber schließlich bereit, den Forderungen der Alliierten unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen. Um eine deutsche Wiedervereinigung zukünftig nicht auszuschließen, waren staatsrechtliche Begrifflichkeiten von großer Bedeutung: Statt einer „Verfassungsgebenden Versammlung” sollte ein „Parlamentarischer Rat” zusammenkommen. Statt „Verfassung“ sollte der Begriff „Grundgesetz“ gewählt werden, um den Charakter des Provisoriums zu demonstrieren. Auf die Niederwaldkonferenz folgte am 11. August der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, dessen Verfassungsentwurf maßgeblich die Ausarbeitung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat prägte.
Das Jagdschloss Niederwald liegt in einem im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts angelegten Zierwald über dem Rheintal. Natur und Schmuckarchitekturen verbunden mit Sichtachsen und Aussichtspunkten sind hier zu einem einmaligen Gartendenkmal vereint.
Graf Johann Friedrich Karl Maximilian Amor Maria von Ostein (1735-1809) erbte im Jahr 1763 das 304 Hektar große Gebiet zwischen Rüdesheim am Rhein und Assmannshausen. Wo heute das Jagdschloss steht, ließ er zwischen 1764 und 1766 seine Sommerresidenz errichten. Über die nächsten Jahrzehnte entstand ein vielfältiger Parkwald, der nach dem Prinzip englischer Landschaftsgärten gestaltet war. Nach dem Tod des Grafen 1809 und wechselnden Besitzverhältnissen gelangte der Niederwald 1853 wieder in staatlichen Besitz und ging schließlich 1866 an das Königreich Preußen über. Der „Neue Hof“ bildete stets den Mittelpunkt des Niederwalds und wurde nun als Jagdschloss bezeichnet. Im Jahr 1925 zerstörte ein Feuer die Gebäude, woraufhin das heutige Jagdschloss Niederwald als Hotel- und Gastronomiebetrieb errichtet wurde. Seit Juli 2023 präsentieren die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, die den Osteinschen Park bau- und gartendenkmalpflegerisch betreuen, im Jagdschloss Niederwald eine kleine Ausstellung, welche sich der Niederwaldkonferenz und der deutschen Demokratiegeschichte widmet. Die Ausstellung im Entree des Jagdschlosses kann kostenfrei besucht werden.
Rittersturz-Konferenz und -Denkmal
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