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Bürger in Uniform

Wolf Graf von Baudissin

* 08.05.1907 in Trier † 05.06.1993 in Hamburg

Mit Wolf Graf von Baudissin verband sich in der frühen Bundesrepublik eine bewusste Abkehr von deutschen Militärtraditionen. Selbst Teil des militärischen Apparats der Weimarer Republik und des "Dritten Reiches", bemühte sich von Baudissin um eine Neudefinition des militärischen Selbstverständnisses, das mit dem Prinzip der „Inneren Führung“ eine Demokratisierung der Streitkräfte erreichen sollte.


Wolf Graf von Baudissin entstammte einem preußischen Adelsgeschlecht. In seiner Ausbildung und beruflichen Laufbahn wechselte er zu Beginn immer wieder zwischen zivilen und militärischen Stationen. Schließlich trat er 1930 dauerhaft in den aktiven Dienst der Reichswehr ein und stieg so bis 1939 zum Hauptmann auf. Unter Erwin Rommel wurde er 1941 Teil des Afrikakorps und geriet kurz darauf in britisch-australische Gefangenschaft. Nachdem er 1947 aus der Gefangenschaft nach Westdeutschland zurückgekehrt war, stieg von Baudissin schnell in den militärischen Beraterstab der Regierung Konrad Adenauers auf, der sich zunächst mit Fragen der Wiederbewaffnung befasste.

Im Zuge dieser Beratungen wurde jedoch auch das neue Leitbild der deutschen Streitkräfte diskutiert, das sowohl an veränderte innen- wie außenpolitische Bedingungen angepasst werden musste als auch einer erneuten gefährlichen Stärkung von militärischen Strukturen als Staat im Staate zuvorkommen sollte. So erarbeite von Baudissin gemeinsam mit Kollegen das Konzept der „Inneren Führung“: In den Strukturen der Bundeswehr sollten weiterhin individuelle Freiheitsrechte gewahrt werden und das Selbstverständnis des Einzelnen als „Bürger in Uniform“ gestärkt werden. Seine Eingaben zur Mitgestaltung und Verantwortung in der Gesellschaft wurzelten dabei in Baudissins christlichen Überzeugungen, seinen militärischen Erfahrungen ebenso wie in der Skepsis gegenüber einer sich individualisierenden Gesellschaft.

Nach Ende seines Staatsdienstes trat von Baudissin 1967 der SPD bei und widmete sich dem Feld der Friedensforschung. An der Universität Hamburg begründete er das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik und betätigte sich in der politischen Bildung durch Vorträge und Publikationen.