Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg, Frankfurt am Main, 2023

Gleiches Recht und gleiche Freiheit

Gabriel Riesser

02.04.1806 - 22.04.1863

Sein Leben spiegelt die Diskriminierung jüdischen Lebens im deutschen Vormärz ebenso wider wie den beharrlichen, mit Vernunft und Leidenschaft geführten Kampf um ihre Überwindung. Als Jurist, Publizist und Abgeordneter stritt Gabriel Riesser vor, während und nach der Revolution 1848 für die Gleichstellung der Juden und die Freiheit aller Menschen in Deutschland.


„Vertrauen Sie der Macht des Rechts, der Macht des einheitlichen Gesetzes und dem großen Schicksale Deutschlands. Glauben Sie nicht, daß sich Ausnahmegesetze machen lassen, ohne daß das ganze System der Freiheit einen verderblichen Riß erhalten […] würde.“ In diesen Worten war das politische Ziel Gabriel Riessers enthalten: Ein geeinter Nationalstaat, der allen (männlichen) seinen Angehörigen unabhängig von Religion und Stand gleiche Rechte in gleicher Freiheit gewährte – ohne „Ausnahmegesetze“ für die jüdische Bevölkerung. Denn von Rechten und Freiheiten ausgenommen zu sein hatte Riesser, aus einer angesehenen Hamburger Rabbinerfamilie stammend, immer wieder erlebt. Zwar gehörte er zu den ersten Juden, die in Deutschland Gymnasium und Universität besuchen konnten – aber durfte Riesser nach einem Studium der Rechte samt Doktorgrad weder eine wissenschaftliche Laufbahn verfolgen, noch Anwalt werden, noch in den Staatsdienst treten. Da er Jude war, sei zuvor seine „Erziehung“ notwendig, so die vorurteilsgeladene Vorstellung auch unter liberalen Denkern des Vormärz.

Als Riesser 1830 in Paris die jüdische Emanzipation kennenlernte, die das französische Recht gestattete, begann er mit der Schrift Über die Stellung der Bekenner des mosaischen Glaubens in Deutschland und vor allem in der Zeitschrift Der Jude einen publizistischen Kampf. Er tat dies als Jurist und zerschrieb mit Logik und Fachverstand die rechtlich unhaltbaren und widersprüchlichen Einlassungen der Emanzipationsgegner. Nie rückte Gabriel Riesser von seiner Überzeugung ab, dass die Gleichstellung ein allen Juden unverbrüchlich zustehendes Recht, mit der Religion nichts zu tun habe und auch keine „Gunst“ sein könne. Nach Sprache, Kultur und Geburt waren sie Deutsche und fühlten sich zugehörig zur Nation – objektive Abgrenzungsmerkmale zwischen Juden und Deutschen könne es also nicht geben.

Auch aus dieser Überzeugung plädierte er als Abgeordneter und zeitweiliger Vizepräsident des Paulskirchenparlaments für einen deutschen Nationalstaat unter einem König, denn ein solch politischer geeinter Staat werde die jüdische Emanzipation garantieren. Es wird diese formale, juristische Perspektive gewesen sein, die ihn vor einer revolutionär zu errichtenden Republik zurückschrecken ließ. Obwohl die Revolution scheiterte, fand die in Frankfurt formulierte jüdische Gleichstellung nach 1860 ihren Weg in mehrere deutsche Landesverfassungen. Im gleichen Jahr wurde Gabriel Riesser Staatsdiener – als erster jüdischer Richter in Deutschland.

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