Gemeinfrei // bereitgestellt durch: Universitätsbibliothek Würzburg

Mediziner in politischer Mission

Rudolf Virchow

* 13.10.1821 in Schivelbein † 05.09.1902 in Berlin

Als Mediziner verband Rudolf Virchow wie kein anderer Zeitgenosse sozialpolitische Forderungen mit demokratischen Ideen. Heute gilt er daneben auch als einer der frühesten Fürsprecher einer europäischen Union.


Noch vor seinem demokratischen Engagement entwickelte sich Rudolf Virchow zunächst als Arzt zu einem angesehenen Vorreiter seines Feldes. Gerade einmal mit 24 Jahren wurde er Prosekutor an der Berliner Charité und legte hier grundlegende Arbeiten zu Leukämie (von ihm zum ersten Mal so bezeichnet) und Thrombose vor. Doch 1848, nach eindrücklichen Erlebnissen einer Fleckenfieber-Epidemie in Oberschlesien, wurde Virchow zunehmend politisch und forderte umfassende sozialpolitische Reformen. Durch sein Mitwirken an den Berliner Barrikadenkämpfen wurde er im Anschluss aus dem Dienst entlassen. Jedoch konnte Virchow diese Stelle ein paar Jahre später wiedererlangen und setzte sich nun bewusst in der Berliner Stadtpolitik ein. Von 1859 bis zu seinem Tod saß er in der Stadtverordnetenversammlung, ab 1862 im Preußischen Abgeordnetenhaus, hier als Abgeordneter der Deutschen Fortschrittspartei (DFP). Dort traf er auf Otto von Bismarck, den der sachliche und pragmatisch argumentierende Virchow schnell in Rage trieb. Überliefert ist, dass Bismarck Virchow sogar einmal zum Duell herausforderte, der Mediziner dies jedoch als eine unzeitgemäße Art der politischen Auseinandersetzung ablehnte. Die beiden Kontrahenten standen sich schließlich auch im Deutschen Reichstag gegenüber, in dem Virchow seit 1880 saß. Bis 1893 war er hier Abgeordneter, daneben engagierte er sich in einer frühen europäischen Bewegung: Bereits 1869 hatte er die Überzeugung geäußert, nur die Gründung der „Vereinigten Staaten von Europa“ würde zu einem gemeinsamen politischen Frieden führen.

In vielen seiner politischen Forderungen schwang Virchows wissenschaftlicher Hintergrund mit. So setzte er sich für eine bessere hygienische wie medizinische Grundversorgung aller Bürger ein, ebenso wie für ihre soziale und rechtliche Gleichstellung. In den aufkommenden Rassediskursen seiner Zeit stellte er sich entschieden einer solchen Diskriminierung entgegen. Allerdings ist hier wichtig zu erläutern, dass Virchow diesen Rassismus mit Praktiken zu widerlegen versuchte, die ebenfalls rassistisch waren, z.B. Schädelmessungen oder sogenannten Völkerschauen. Rassistische Vorurteile sollten durch wissenschaftliche Forschung und Aufklärung beigelegt werden, doch mit seinen Arbeiten bestätigte Virchow so in gewisser Weise die rassistischen Strukturen, die er zu bekämpfen versuchte. Er war damit ganz und gar Wissenschaftler seiner Zeit, der über verschiedene, zum Teil aus heutiger Sicht befremdliche Methoden eine Verbesserung sozialer wie politischer Zustände anstrebte.