Privatbesitz Familie Venedey/Birgit Bublies-Godau // Marcus Kaar

Von Barrikade und Parlament zum demokratischen Staat

Henriette und Jakob Venedey

* 24.05.1805 in Köln † 08.02.1871 in Oberweiler bei Badenweiler /
* 05.04.1817 † 20.05.1893

Die Venedeys zählen zu den Protagonisten eines demokratischen Nationalstaats im 19. Jahrhundert. Als politisch engagiertes Ehepaar stehen sie für die unterschiedlichen Wege dieses Kampfes: Jakob Venedey als Verfechter von Parlament und Rechtsstaat, Henriette Obermüller-Venedey als revolutionäre Aktivistin der Barrikadenkämpfe und Aufstandsbewegungen.


Bereits 1833 unter Verdacht, mit Teilen ihrer Familie am Revolutionsversuch des Frankfurter Wachensturms teilgenommen zu haben, führte die in Karlsruhe geborene Henriette Obermüller ihre erste Ehe nach Frankreich. In Paris verinnerlichte sie revolutionäre Ideen und freiheitliche Forderungen. 1845 zurück in Baden, organisierte sie politische Vereine, besuchte Sitzungen der Landstände, hielt republikanische Reden und verfasste revolutionäre Schriften. Während der Revolution 1848/1849 beteiligte sie sich an den Aufständen der radikalen Demokraten, floh, wurde verhaftet und stand zwei Jahre unter Hausarrest.

1854 heiratete sie in zweiter Ehe Jakob Venedey. Dessen Politisierung begann 1819 mit einem Schulverweis wegen seiner Sympathien für die verbotene Turnerbewegung. Sie führte ihn über die politisch oppositionellen Burschenschaften, den „Press- und Vaterlandsverein“ Wirths und Siebenpfeiffers und das Hambacher Fest 1832 zunächst ins französische Exil und 1848 dann ins Zentrum der Revolution, die Frankfurter Nationalversammlung.

Obwohl dem linken, demokratischen Spektrum zugeordnet, vereinte das Demokratieverständnis Venedeys widersprüchliche Positionen. So galt ihm das „Volk“ als Souverän der künftigen Gesellschaftsordnung – während er das darin enthaltene Versprechen nach Teilhabe an enge kulturell-ethnische Grenzen knüpfte, die alles „Fremde“ ausschlossen und das „Eigene“ überhöhten. Deswegen bejahte Venedey im Gegensatz zur Mehrheit der Paulskirche etwa die Existenz eines freiheitlichen polnischen Nationalstaats, unabhängig von deutscher Vorherrschaft – während ihm für die Errichtung eines großdeutschen Nationalstaats Krieg das legitime Mittel war. Schließlich verurteilte er jeden gewalttätigen Aufruhr im Innern, während allein der Parlamentarismus der legitime Weg gegen „Anarchie und Reaction“ zugleich sei – und worin Venedey das Argument für ein allgemeines (Männer-)Wahlrecht erkannte.

Nach dem Scheitern der Revolution lebte das Ehepaar zeitweise im Schweizer Exil, wo Jakob Venedey als Historiker lehrte und historisch-politische Schriften verfasste, in denen er demokratische Traditionen beschrieb – und deswegen keine Professur erhielt. Henriette Obermüller-Venedey hingegen führte erfolgreich das „Gast- und Rasthaus Venedey“, einen Anlaufpunkt demokratischer Kreise in der Reaktionsära, und engagierte sich über die Mitwirkung am Genfer Journal des femmes in der Internationalen Frauenbewegung.