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Patriarch im demokratischen Aufbruch

Konrad Adenauer

* 05.01.1876 in Köln † 19.04.1967 in Rhöndorf

Adenauers bedeutendste Stunde schlug, als er bereits 73 Jahre alt war: Am 20. September 1949 wurde er erster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Wie keine andere politische Person prägte Adenauer mit seiner „Kanzlerdemokratie“ den gesellschaftlich-politischen Neuanfang nach 1945, auch weil er im Positiven wie Negativen für diesen Neuanfang auf Traditionlinien des Weimarer Parlamentarismus zurückgriff.


Von Beruf Jurist, begann Konrad Adenauers politische Karriere 1906 in der Kölner Kommunalpolitik, in der er es 1917 bis zum Oberbürgermeister brachte. Übereinstimmend zum Zeitgeist in der Weimarer Republik, trat Adenauer in diesem Amt auch für den erneuten Besitz von Kolonien ein. Sichtbarstes Merkmal dieser Haltung war seine Wahl zum Vizepräsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft im Jahr 1931. Dieses Engagement begründete Adenauer mit den ökonomischen und außenpolitischen Interessen Deutschlands sowie einem, dem vermeintlichen deutschen „Kulturvolk“ zukommenden Zivilisierungsauftrag in Übersee.

Wie viele Zeitgenossen hoffte er zunächst auf eine bürgerlich-parlamentarische Bewältigung der Nationalsozialisten, wurde kurz nach der „Machtergreifung“ 1933 aber aus all seinen Ämtern entlassen. Adenauer hatte sich den neuen Machthabern verweigert, bei einem Besuch in Köln Hitler nicht persönlich begrüßt und zudem Hakenkreuzfahnen entfernen lassen. Daraufhin wurde er schikaniert, bedroht und mehrmals inhaftiert.

Mit Kriegsende widmete sich Adenauer auf vielen Ebenen dem demokratischen Wiederaufbau Westdeutschlands: Als langjähriger Parteivorsitzender der CDU, als Präsident des Parlamentarischen Rates und schließlich als erster Bundeskanzler. Während er nun auch aus der Erfahrung des Nationalsozialismus auf die Festigung demokratischer Grundwerte von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit drängte, erhielten sich Mentalitätslinien der Weimarer Zeit. So regierte Adenauer an vielen Stellen patriarchalisch und nutzte auf vielfältige Weise die im Grundgesetz angelegte Richtlinienkompetenz wie kein Bundeskanzler nach ihm. Auch ließ er zu, dass ihm gesetzeswidrig beschaffte Informationen – über politische Kontrahenten genauso wie Verbündete –  zugetragen wurden und nutzte dieses Wissen, um sein politische Stellung zu festigen. Gleichzeitig musste Adenauer aber auch innerhalb seiner eigenen Fraktion und seines eigenen Kabinetts immer wieder Mehrheiten einwerben und Kompromisse eingehen.

Die Kanzlerschaft Konrad Adenauers gab den innen- und außenpolitischen Kurs der nächsten Jahrzehnte vor: Mit dem Vorzug einer Westbindung vor der deutschen Wiedervereinigung; mit nachhaltigen Weichenstellungen der europäischen Integration mit einem ausgeprägten Antikommunismus; mit einer zwischen moralischen Prinzipien und stabilitätsorientierten Pragmatismus angesiedelten Vergangenheitspolitik gegenüber ehemaligen Nationalsozialisten; und mit einem prinzipiellem Pluralismus in Politik und Gesellschaft, der jedoch häufig zugunsten eines effektiven Konservatismus und einer Institutionendemokratie ausfiel.

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