Annemarie Renger und Kurt Schumacher beeinflussten die parlamentarische Sozialdemokratie nach 1945 maßgeblich; Schumacher als erster SPD-Vorsitzender; Renger als erste Bundestagspräsidentin. Beide waren zudem geprägt durch die Erfahrungen des Nationalsozialismus und die damit verbundene Notwendigkeit, die Demokratie gegen Angriffe aus unterschiedlichen Richtungen zu schützen.
Als sich Annemarie Renger und Kurt Schumacher in der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945 kennenlernten, traf ein von politischer Verfolgung gezeichneter Mann auf eine ebenfalls gezeichnete Frau, die im Krieg Mann und Brüder verloren hatte. Schumacher war bereits aus dem Ersten Weltkrieg als Kriegsversehrter zurückgekehrt. Aufgewachsen in einem liberalen Elternhaus, wandte er sich früh der Sozialdemokratie zu und saß für die SPD von 1924 bis 1933 im württembergischen Landtag und im Reichstag als Abgeordneter. Aufgrund seines entschiedenen Eintretens gegen die Nationalsozialisten wurde er bereits im Juli 1933 verhaftet und war mit Unterbrechungen bis Ende des Zweiten Weltkriegs in Gefangenschaft, was seinen Gesundheitszustand weiter verschlechterte. Trotzdem arbeitete er bereits Tage nach der Befreiung im April 1945 an dem Neuaufbau der Sozialdemokratie in Deutschland.
Als Mitglied des Parlamentarischen Rates, erster Parteivorsitzender und Gegenspieler Konrad Adenauers prägte Schumacher maßgeblich die Anfänge der SPD in der Nachkriegszeit. Während er als Oppositionsführer Adenauer und der CDU die Grenzen eines parlamentarischen Alleingangs, etwa zur europäischen Integration, aufzeigte, konnte sein herrisches Auftreten auch durchaus abschrecken. Die Disziplin innerhalb der Partei wurde durch ihn ebenso vorgegeben wie die dezidierte Abgrenzung zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Ablehnung der Zwangsvereinigung von SPD und KPD im Osten.
Annemarie Renger unterstützte Kurt Schumacher als Sekretärin und Vertraute. Sie selbst war in einem Haushalt von aktiven Sozialdemokraten aufgewachsen, ihr Vater als Arbeiterfunktionär bereits 1933 von den Nationalsozialisten mit Berufsverbot belegt worden. Der Wunsch, nach dem Krieg am Neuaufbau der Sozialdemokratie beteiligt zu sein, brachte sie in Kontakt mit Kurt Schumacher. Nach seinem Tod 1952 stieg Renger weiter in der Bundespolitik wie in der SPD auf. Ab 1953 saß sie ununterbrochen bis 1990 im Bundestag, seit den 1960er Jahren gehörte sie zudem zur Führungsriege der SPD. 1972 wurde Renger schließlich, auch gegen parteiinterne Widerstände, erste Präsidentin des Bundestags; ein Amt, das sie auch im weltweiten Vergleich als erste Frau bekleidete. In ihrem parlamentarischen Schaffen setzte sie sich nicht nur für eine gesellschaftliche Demokratisierung ein, sondern forderte gerade im Bereich weiblicher Erwerbstätigkeit weitere Gleichstellung: Auf sie geht etwa die Kampagne "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" zurück.
Bundeshaus Bonn
Von 1949 bis 1999 tagten hier Bundestag und Bundesrat am selben Ort. Damit waren diejenigen zwei Verfassungsorgane vereint, die auch bei der Gesetzgebung eng zusammenwirken. Der 1992 neu errichtete Plenarsaal kann besichtigt werden.