Bundesarchiv, Bild 175-Z02-00866 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE

Streiten & Vermitteln

Herbert Wehner

* 11.07.1906 in Dresden † 19.01.1990 in Bonn

Herbert Wehner galt als der Inbegriff der Streitkultur im Bonner Bundestag. Er polarisierte politische Gegner wie Weggefährten, setzte sich aber auch immer wieder vermittelnd in der Politik ein. Als jahrzehntelanger Parteivorstand und Weichensteller der SPD hat er die Partei, aber auch die bundesrepublikanische Kultur für Jahrzehnte entscheidend mitbestimmt.


Herbert Wehners Vergangenheit als Funktionär der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) war in seiner späteren Zeit im Bundestag immer wieder Thema. Für ihn selbst hatte sich die Frage, ob er weiterhin kommunistischer Parteigänger sein wollte, durch die negativen Erfahrungen des Stalinismus in seiner Zeit in Moskau von 1937 bis 1941 eindrücklich geklärt. Trotzdem erklärte sich auch aus seiner Arbeit in dieser Zeit, dass Wehner in der KPD die Mobilisierung und Organisation politischer Kräfte von der Pieke auf lernte.

In bitterarme Verhältnisse in Dresden geboren, hatte er sich jedoch zunächst der Sozialdemokratie in Sachsen zugewandt und arbeitete als Journalist und Politiker. Doch 1923 löste er sich über den Einmarsch der Reichswehr in Sachsen von der regierenden Partei. Über sozialistische und anarchistische Kreise kam Wehner schließlich 1927 zur KPD und unterstützte die Arbeit Ernst Thälmanns. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten leitete er ab 1935 aus dem Exil den kommunistischen Widerstand und hoffte auf eine Zusammenarbeit mit anderen kommunistischen Gruppen in Europa.

Aufgrund der Erfahrungen in Moskau sagte sich Wehner nach dem Krieg von der KPD los und trat erneut in die SPD ein. 1949 begann seine langjährige Tätigkeit im Bundestag, seit 1969 war er zudem Fraktionsvorsitzender. In dieser Zeit bereitete er maßgeblich eine Regierungsbeteiligung seiner Partei vor, etwa mit dem Godesberger Programm oder dem klaren Bekenntnis zur deutschen Westbindung. Als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen (1966-1969) setzte er sich zudem für den deutsch-deutschen Dialog und gerade durch seine Verbindung nach Sachsen für eine Ost-West-Annäherung ein. Gleichzeitig wurde sein Zusammenhalten der eigenen Fraktion im Bundestag ebenso wie der verbale Schlagabtausch mit der Opposition und anderen politischen Gegnern zu seinem gefürchteten Merkmal als „Zuchtmeister“. Über sein Verhältnis zu Bundeskanzler Willy Brandt, gerade auch in der Guillaume-Affäre von 1974, wird bis heute gestritten; unstrittig ist, dass sich Wehner als Parteivorstand immer wieder für die Regierungsfähigkeit der SPD einsetzte. 1983 schied Herbert Wehner nach über drei Jahrzehnten aus dem Bundestag aus, die deutsche Wiedervereinigung erlebte er angesichts einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung nicht mehr bewusst mit.