Niedersächisches Landesarchiv, Abteilung Stade, Dep. 10 Nr. 3383

Liberaler Demokrat und Vater des modernen Anwaltsstandes

Gottlieb Wilhelm Freudentheil

24.09.1792 - 02.04.1869

Als Bürgervorsteher Stades, in der Hannoverschen Ständeversammlung und der Paulskirche trat Gottlieb Wilhelm Freudentheil für die Trennung von Verwaltung und Justiz, eine grundrechteorientierte Verfassung und eine parlamentarisch kontrollierte Monarchie ein. Als Rechtsanwalt kämpfte er für einen unabhängigen und reformierten Anwaltsstand in Deutschland.


Gottlieb Wilhelm Freudentheil entstammte einer zum Christentum konvertierten jüdischen Kaufmannsfamilie. Nach dem Jurastudium an der Universität Göttingen kehrte er im Alter von 24 Jahren 1816 als promovierter Jurist nach Stade zurück und ließ sich dort als Anwalt nieder. Als begabter Redner anerkannt, wählten ihn die Bürgerrepräsentanten Stades zu ihrem „Worthalter“, ein Amt, in dem er auch eine reformierte Stadtverfassung Stades mit umsetzte. Ab 1831 war er gewählter Vertreter in der Hannoverschen Ständeversammlung.

Hier trat er für die Trennung von Verwaltung und Justiz, die Abschaffung der Steuerprivilegien des Adels sowie die Öffentlichkeit der Kammerverhandlungen ein. Zudem handelte Freudentheil das Hannoversche Staatsgrundgesetz mit aus, das individuelle Grundrechte garantierte und die Herrschaft des Monarchen an Gesetze band. Als König Ernst August 1837 das Staatsgrundgesetz aufhob, gab Freudentheil sein Mandat aus Protest zurück. Während der Revolution von 1848 war an der Organisation der Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung beteiligt, stellte selbst einen der Abgeordneten des linken Zentrums und gehörte zu jenen Männern, die dem preußischen König vergeblich die deutsche Kaiserkrone anboten.

Nach dem Scheitern der Revolution setzte er sich, wieder als Mitglied der Ständeversammlung in Hannover, für die Unabhängigkeit der Anwälte ein, die bis dahin der weitgehenden Disziplinarwillkür der Gerichte ausgeliefert waren. Um gerechte Urteile zu erstreiten, forderte Freudentheil eine geregelte Ausbildung von Anwälten, öffentlich verhandelte Gerichtsverhandlungen und selbstverwaltete Anwaltskammern. Die hannoverschen Justizreformen von 1852 setzten diese Forderungen weitgehend um, die auch internationale Anerkennung fanden.