Archiv der BVG

Für einen demokratischeren Kolonialismus

Martin Dibobe

* 31.12.1876 in Bonapriso (Kamerun) † ca. 1922 in Liberia

Der Aktivist Martin Dibobe setzte sich in der Weimarer Republik für die Gleichstellung von Menschen in und aus den ehemaligen deutschen Kolonien ein. 1919 sprach er sich einerseits für den Fortbestand deutschen Kolonialbesitzes aus. Andererseits forderte er neben demokratischen Strukturen und Grundrechten für Menschen in den ehemaligen Kolonien auch eine Auseinandersetzung mit den deutschen Kolonialverbrechen.


Quane Martin Dibobe kam 1896 für eine sogenannte „Völkerschau“ nach Deutschland – er gehörte zu einer Gruppe Afrikaner, die in diesen Ausstellungen als „exotische Attraktionen“ für die deutsche Bevölkerung herhalten mussten. Aufgewachsen war Dibobe in Kamerun, damals deutsche Kolonie, als Sohn eines Duala-Oberhaupts. In Berlin wurde er zum Faszinationsobjekt, nicht nur in der „Völkerschau“, sondern auch bei Wissenschaftlern, die seinen Kopf vermaßen und seine Sprache analysierten. Nach dem Ende der Ausstellung blieb Dibobe in der deutschen Hauptstadt, absolvierte eine Schlosserlehre und arbeitete als Zugführer für die Berliner Hochbahn. Immer wieder trat er in Austausch mit den deutschen Behörden, insbesondere dem Reichskolonialamt, etwa um eine Erlaubnis für die Heirat mit einer Deutschen zu erhalten.


Im Zuge des Versailler Vertrags verlor das Deutsche Reich 1919 seine Kolonien an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs. In diesem Zusammenhang richtete Dibobe gemeinsam mit 17 weiteren Afrikanern aus den deutschen Kolonien eine Petition an das Kolonialamt in der Hoffnung, dass seine Forderungen auch vor der Deutschen Nationalversammlung in Weimar Gehör finden würden. Diese Petition spiegelte Dibobes Vorstellung einer „semikolonialen Herrschaft“ (Birthe Kundrus) auf sozialdemokratischer Grundlage wider. Dibobe bedauerte den Wechsel der Kolonialherrschaft und bekundete seine Loyalität zu den deutschen Kolonialherren. Damit wollte er an die Verantwortung der deutschen Behörden appellieren: Sie sollten sich dafür einsetzen, dass die koloniale Bevölkerung zu Bürgerinnen und Bürgern gemacht würden, ausgestattet mit den gleichen Grundrechten, wie sie im Deutschen Reich galten. Keine Prügelstrafe und Misshandlungen mehr, stattdessen sollte eine Schulpflicht eingeführt und die rassistische Trennung zwischen Weißen und Schwarzen aufgehoben werden. Gleichzeitig sollten die Kolonien Selbstverwaltung, ein Mindestmaß an Souveränität und Freiheit und einen ständigen Gesandten im Reichstag erhalten. Dibobes Forderungen speisten sich auch aus seinen sozialdemokratischen Überzeugungen, dass Partizipation und Gleichberechtigung universelle Grundrechte seien. Nicht zuletzt prangerte er in der Petition auch die Diskriminierungserfahrung Schwarzer Menschen im Deutschen Reich und forderte hier ebenso Gleichberechtigung und Selbstbestimmung.


Die Petition wurde vom Kolonialamt nicht weitergeleitet. Über Dibobes weiteren Lebensweg ist wenig bekannt, vor allem nachdem er 1920 nach Afrika zurückkehrte. Seine Petition bleibt jedoch Zeugnis einer frühen politischen und sozialen Auseinandersetzung in und mit der postkolonialen Gesellschaft in Deutschland sowie ein Beispiel frühen Schwarzen Aktivismus für Partizipation und Gleichberechtigung.